,

Wie man effektive Trainingsvideos erstellt

In der heutigen, schnelllebigen und sich permanent weiterentwickelnden Welt war der Bedarf an kontinuierlichem Lernen und fortlaufender Weiterentwicklung noch nie so groß wie zuvor. Angesichts der steigenden Nachfrage nach neuen Fähigkeiten und Kenntnissen reichen herkömmliche Schulungsformate, wie Vorträge und Lehrbücher, nicht mehr aus. An dieser Stelle sind Trainingsvideos gefragt und schaffen neuen Spielraum bzgl. Gestaltungsmöglichkeiten von Lernumgebungen. Warum ist das so? Videos bieten eine fesselnde, dynamische und interaktive Möglichkeit, sich neues Wissen und Fähigkeiten anzueignen, was sie zu einem unverzichtbaren Instrument für die Aus- und Weiterbildung macht.

 

Sind daher digitale Medien traditionellen Lehrmedien überlegen?

Richard E. Clark sagt nein. Er sagt: „Es gibt keinen guten Grund anzunehmen, dass Lernende, die das Gleiche tun, nur auf Grund des Mediums etwas anderes lernen“ (1983).

Dennoch können digitale Medien genutzt werden, um die Lernsituation so zu verändern, dass sie effektiver ist. Daher greifen wir heute gerne die wichtigsten Aspekte auf, die bei der Entwicklung eines Trainingsvideos zu beachten sind.

Dazu schauen wir uns Folgendes an:

  • Die Cognitive Load Theory
  • Die Cognitive Theory of Multimedia Learning
  • Die Funktionen, die aktives Lernen in Videos fördern
  • Die Funktionen, die Aufmerksamkeit bei Trainingsvideos fördern

 

Cognitive Load Theory von Sweller (1988, 1989, 1994).

Diese Theorie legt nahe, dass das Gedächtnis aus drei Komponenten besteht.

Das sensorische Gedächtnis ist sehr kurzfristig und sammelt Informationen aus der Umgebung. Manche diese Informationen werden für die temporäre Speicherung und Verarbeitung im Arbeitsgedächtnis ausgewählt, welches auch eine begrenzte Kapazität besitzt. Diese Verarbeitung ist Voraussetzung für die Kodierung in das Langzeitgedächtnis, das praktisch unbegrenzte Kapazität hat.

John Sweller identifizierte die drei Bestandteile der kognitiven Belastung des Arbeitsgedächtnis als folgende

  1. Intrinsic Load: Das ist die benötigte Kapazität, nur um die Aufgabe an sich zu lösen. Zum Beispiel: Die intrinsic Load zur Lösung dieses Problems (2 + 2) ist geringer als für dieses Problem (64×8+7)
  2. Extraneus Load: Es ist die kognitive Belastung, die der Verarbeitung irrelevanter Stimuli entspricht. Zum Beispiel: Ablenkungen oder schlechte Trainingsplannung
  3. Germane Load: Dies ist die mentale Belastung, die darauf abzielt, die neuen Informationen in das Langzeitgedächtniss zu kodieren

Da die Verarbeitungskapazität begrenzt ist, bedeutet dies, dass wenn eine der Lasten wächst, die anderen proportional abnehmen.

Wenn beispielsweise die Audioqualität schlecht ist, der/die Trainer:in keine klare Gedankenlinie verfolgt und der Nachbar bohrt, dann wird es viel Extraneus-Load geben und folglich eine geringere Germane-Load. Das beeinträchtigt eine saubere Informationsspeicherung und demzufolge kann kein angemessenes Lernen stattfinden. Wenn Lernen optimal stattfinden soll, dann muss auch die Germane-Load maximiert werden.

Gute Trainern:innen halten Extraneus Loads auf einem Minimum indem sie Störfaktoren vorbeugen und achten darauf, dass die Teilnehmern:innen eine angemessene Menge an Intrinsic Load verwenden, in dem Sie Aufgaben wählen die nicht zu leicht oder zu schwer sind. Wenn die Aufgabe für die Teilnehmern:innen sehr einfach ist, wie z. B. 2 + 2, dann gibt es nicht genug neue Informationen, die integriert werden könnten. Andererseits, wenn der Intrinsic Load sehr hoch ist, können die Teilnehmern:innen nichts integrieren, weil sie nichts verstehen.

Trainingsvideos Videos bieten viele neue Möglichkeiten, die Nutzung dieser Theorie zu optimieren. Durch die Aufnahme eines Trainingsvideos können viele störende Aspekte der Umgebung manipuliert bzw. kontrolliert werden. Außerdem können ergänzende Animationen gezielter eingesetzt und verwendet werden. Dadurch lassen sich störende Umgebungsaspekte reduzierendie Sprechweise verbessern, den perfekten roten Faden finden und die Aufmerksamkeit besser lenken.

 

Cognitive Theory of Multimedia Learning.

Diese baut auf der Cognitive Load Theory von Sweller (1988, 1989, 1994) auf und stellt fest, dass das Arbeitsgedächtnis zwei Kanäle für die Informationsaufnahme und -verarbeitung hat: einen visuellen/bildlichen Kanal und einen auditiven/verbalen Kanal.

Die Kapazität dieser Kanäle ist begrenzt. Mit anderen Worten: Um die Menge der aufgenommenen Informationen zu maximieren, müssen beide Kanäle stimuliert werden, ohne einen von ihnen zu überlasten.

Wenn der/die Trainer:in über das Thema spricht, erhöht sich die Informationsmenge, die durch den auditiven Kanal geht.  Wenn er zusätzlich Bilder oder eine Animation zeigt, wird der zweite Kanal mit Information angeregt. In dieser Situation werden dadurch beide Kanäle aktiviert und mehr Information verarbeitet bzw. abgespeichert, sodass eine tiefere Lernerfahrung stattfindet.

Allerdings zeigt diese Theorie auch auf, wie die Überlastung eines Kanals zu einer Beeinträchtigung des Lernens führen kann: Wenn der/die Trainer:in über ein bestimmtes Thema spricht und gleichzeitig einen erklärenden Text zeigt, dann kann es zu einer Überforderung des auditiven Kanals bei dem Publikum führen.

Trainingsvideos eröffnen daher viele neue Türen, wie beide Kanäle simultan und angemessen angeregt werden können, um für eine optimale Lernerfahrung zu sorgen.

 

Aktives Lernen in Videos.

Nun schauen wir uns die Funktionen an, die aktives Lernen in Videos fördern.

Aber vorher: Was bedeutet aktives Lernen?

Nach dem ICAP-Framework von Chi & Wiley (2014) gibt es vier verschiedene Verarbeitungsstufen. Der Grad der Verarbeitung beeinflusst, wie gut Informationen gespeichert werden. Je höher der Verarbeitungsgrad, desto besser werden die Informationen gespeichert.

📚 Lehnt sich ein:e Teilnehmer:in im Hörsaal zurück und nur zuhört, verarbeitet er/sie die Informationen nur passiv.

✍ Wenn er/sie andererseits Informationen auf einem Blatt Papier notiert bzw. unterstreicht, dann werden die Informationen aktiv verarbeitet.

🙋Produziert ein:e Teilnehmer:in zusätzliche Outputs, wie das Zeichnen eines Concept Map oder das Stellen von Fragen, verarbeitet er/sie die Informationen auf einer konstruktiven Ebene.

👥 Die höchste Lernstufe ist die interaktive Stufe, zum Beispiel wenn ein:e Teilnehmer:in das Thema mit jemand anderem bespricht.

Es ist nicht immer möglich, die höchste Stufe in einem Training zu erreichen, da diese Stufe ein grundlegendes Verständnis für das jeweilige Thema erfordert, weshalb sie zeitliche Ressourcen erfordert, die nicht immer vorhanden sind.

Aber ein Trainingsvideo so zu planen, dass es die aktive Lernebene erreicht, ist nicht so schwierig. Brame C. J. veröffentlichte 2015 einen Artikel, in dem sie die Schlussfolgerungen mehrerer Studien zu diesem Thema zusammenfasste.

  1. Die erste Studie ergab, dass der Einsatz von Leitfragen aktives Lernen fördert. Wenn man ein:e Teilnehmer:in vor oder zu Beginn des Videos Fragen stellt, die ihn/sie leiten und ihn/sie auf die wichtigen Dinge aufmerksam machen, kann die Lernerfahrung erleichtert und begünstigt werden. Wenn der/die Trainer:in am Anfang des Videos fragt: Sind digitale Medien traditionellen Lehrmedien überlegen? Dann werden die Teilnehmern:innen darauf vorbereitet, Informationen zu suchen und zu speichern, die diese Frage beantworten.
  2. Die zweite Studie ergab, dass Teilnehmern:innen am besten lernen, wenn sie mit dem Video interagieren können, d. h. es anhalten, zurückspielen, vorspielen usw.
  3. Die dritte Studie ergab, dass Videos besser sind, wenn Fragen mit personalisiertem Feedback in das Video integriert werden.
  4. Die vierte und letzte Studie fand heraus, dass Teilnehmern:innen besser lernen, wenn Videos Teil einer größeren Aufgabe sind. Zum Beispiel, wenn Erklärvideos mit Übungen im Labor in einem Forschungsprojekt gemischt werden.

 

Funktionen, die Aufmerksamkeit bei Trainingsvideos fördern.

Und damit kommen wir zum letzten Punkt: Funktionen, die Aufmerksamkeit bei Trainingsvideos fördern. Dafür schauen wir uns die bisher umfangreichste Studie zu Video-Engagement an, bei der Daten aus 6,9 Millionen Videositzungen verwendet wurden. Die Studie von Guo P. J., Kim J. & Rubin R. in 2014 fand sechs Faktoren, die die Aufmerksamkeit beeinflussen.

  1. Und der Faktor, der das Engagement am meisten beeinflusst, ist Videolänge. Die Autoren von der Studie formulierten die Hypothese: kürzere Videos sind nicht nur aufgrund der Länge ansprechender, sondern auch, weil sie womöglich besser geplant sind.
  2. Zweiter Befund: Videos, die den Talking Head einer:s Dozenten:in mit Folien durchsetzen, sind ansprechender als reine Foliensätze.
  3. Drittens: Videos, in denen die Persönlichkeit des Hosts spürbar ist, sind ansprechender als solche, in denen dies nicht der Fall ist.
  4. Vierten:. Tutorials mit Zeichnen im Khan-Style (eine bestimmte Art der Animation) sind ansprechender als die, die PowerPoint-Folien haben.
  5. Fünftens: Selbst qualitativ hochwertige, aufgezeichnete Vorlesungen im Klassenzimmer sind nicht so spannend, wenn sie in einen online Kurs benutzt werden.
  6. Und nun zum letzten Punkt: Videos, in denen die Hosts schneller und mit großer Begeisterung sprechen, sind ansprechender als Videos, in denen sie ruhig und langsam sprechen.

 

Fassen wir die wichtigsten Aspekte zusammen, die zu beachten gelten.

  • Die Germane Load sollte maximiert werden,während die Extraneus Load reduziert und die Intrinsic Load auf einem angemessenen Niveau gehalten werden sollte.
  • Sowohl der visuelle als auch der auditive Kanal sollten stimuliert werden, ohne einen von beiden mit zu vielen oder konkurrierenden Informationen zu überlasten.
  • Videos sollten zu einem aktiven Erlebnis werden, indem Leitfragen zu Beginn gestellt werden, die Teilnehmern:innen in ihrem eigenen Tempo durch das Videos navigieren können, Fragen mit personalisiertem Feedback enthalten und/oder das Video Teil einer größeren Schulungseinheit ist.
  • Videos sollten so kurz wie möglich gehalten werden. Das bedeutet nicht, dass lange Videos eine geringere Qualität besitzen, sondern dass Videos so geplant werden sollten, dass sie eine für die Nutzer:innen angenehme Länge besitzen.
  • Es sollten sowohl ein Talking Head als auch grafische Elemente verwendet werden. Dies kann dazu beitragen, den Fokus auf das Wesentliche zu lenken.
  • Wenn es die Situation zulässt, sollte die Persönlichkeit des/der Trainer*in im Video spürbar sein, indem er/sie informell spricht, Witze macht usw.
  • Optimalerweise sollten grafische Elemente verwendet werden, die aktiver sind als reine PowerPoints-Folien.
  • entsprechend planen, denn die Art und Weise, wie in einem Video gesprochen wird, unterscheidet sich von der Art und Weise, wie in einem in Präsenzseminar/Training/Vortrag gesprochen wird

Mit den Informationen aus diesen Theorien und Studien wissen Sie hoffentlich nun, worauf Sie bei der Erstellung von Trainingsvideos achten dürfen und was zu beachten ist. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Ausprobieren. Und wie es jede Fähigkeit erfordert: Auch hier braucht es Zeit, Geduld und Übung. Doch gibt es keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, damit anzufangen. Viel Spaß!