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24.01.2021

Coaching wirkt. Diese Erkenntnis ist mittlerweile wissenschaftlich breit und zuverlässig abgesichert. Es gibt zwar auch negative Effekte und in der (positiven) Wirkung unterschiedliche Effektstärken, aber im Schnitt lässt sich sagen: Wer an einem Coaching teilnimmt, der wird einen positiven Effekt erzielen. Was wir bisher kaum bis nicht verstehen, ist die Frage, was genau an Coaching wirkt und wodurch Coaching wirksam wird. Der Untersuchung dieser Frage widmet sich Nicklas Kinder nun seit geraumer Zeit im Rahmen seiner Dissertation.

Coaching Wirkung und Erfolg – ein meist sehr subjektives Unterfangen

Zunächst stellt sich die Frage, was eigentlich gemessen wird, wenn von Wirksamkeit oder Erfolg im Coaching die Rede ist. Hier greift die Wissenschaft auf eine Vielzahl unterschiedlicher Konstrukte zurück. Dabei gilt, je objektiver das Maß zur Erfolgsmessung ist, desto aufwendiger und kosten- bzw. ressourcenintensiver ist dessen Erhebung. Entsprechend wird meist auf Maße wie die Zielerreichung oder die Zufriedenheit der KlientInnen zurückgegriffen. Diese Erhebung kann komfortabel mittels (Online-) Fragebogen erfolgen.
Dieser Ansatz bringt allerdings eine Unschärfe mit. Wir wissen heute, dass die Zufriedenheit mit dem Coaching maßgeblich von der Sympathie zum Coach mit beeinflusst wird. Diesen Einflussfaktor ausklammern heißt die Glaubwürdigkeit und die Gültigkeit der gewonnenen Ergebnisse untergraben. Maße wie die Mitarbeiterfluktuation, die Produktivität oder der Return on Investment sind deutlich aussagefähiger, aber werden aus genannten Gründen sehr selten erhoben.

Die Komplexität der Wirkweise von Coaching

Von den Herausforderungen der Erfolgsmessung einmal abgesehen, richten wir unsere Aufmerksamkeit hier auf die Wirkmechanismen von Coaching. Coaching wirkt, ja. Doch wie und wodurch? Die Erhebung der Antwort zu diesen Fragen ist in keiner Weise als weniger komplex zu bewerten – im Gegenteil. Unabhängig von der Ausbildungsrichtung des Coaches stellt Coaching eine spezielle Form sozialer Interaktion dar, die daher gängigen sozialpsychologischen Regeln und Phänomenen unterworfen ist. Vereinfacht gesehen streben Menschen in Interaktionen demnach stets die Maximierung ihrer Handlungsgewinne und die Minimierung der aus der Handlung resultierenden Kosten an. Die Ergebnisse eines Coachings werden jedoch durch beide Interaktionspartner – Coach und KlientIn – ko-kreiert. Dabei liegt also nur ein Teil der Kontrolle über die Handlungsergebnisse in der Hand des Coaches, ein weiterer Teil in der Hand des jeweiligen Gegenübers und ein dritter Teil liegt in der gemeinsamen, geteilten Kontrolle. Die jeweilige Situation spielt zusätzlich eine Rolle.

Soviel kann gesagt werden – Coaching wirkt im Kontext sozialer Interaktion

Der Coach folgt beim Coaching jedoch nicht der Maximierung seiner Handlungsgewinne, sondern versucht, die Interaktion positiv im Sinne seiner KlientInnen zu beeinflussen. Im Coaching kommt es dabei fortlaufend zu einem Austausch von Emotionen und Kognitionen zwischen den Gesprächspartnern. Die gemeinsamen Interaktionen laufen in der Regel in Schleifen ab. Dabei findet eine wechselseitige Beeinflussung statt. Grundlegende Bedürfnisse erzeugen dabei zunächst motivierte Kognitionen. Diese führen darauf zu motiviertem Verhalten, was wechselseitig interpretiert wird und zu einer weiteren Schleife führt. Ob dieser Prozess als Aufwand oder Gewinn/Nutzen wahrgenommen wird, hängt von zwei Faktoren ab. Zum einen, inwieweit die individuellen Bedürfnisse und Motive zueinanderpassen. Zum anderen, wie die jeweilige Gegenseite das Verhalten wahrnimmt und darauf reagiert. Soweit die Stimme der Sozialpsychologie.

Einzelne Wirkfaktoren können nicht punkten

Die Untersuchung der Wirkung von Coaching hängt zusammengefasst also vom Verhalten von Coach und KlientIn sowie deren Zusammenspiel ab. Zusätzlich geht es auch um die Wahrnehmung des gegenseitigen Verhaltens und dessen subjektive Interpretation. Es ist daher relativ unbefriedigend und wenig aussagekräftig, bestimmte einzelne Faktoren als Wirkmechanismen im Coaching zu identifizieren. Grund hierfür sind die komplexen Wirkzusammenhänge, die auf eine Mehrzahl bis Vielzahl an relevanten Faktoren schließen lassen. Auch ist anzunehmen, dass beispielsweise Zufriedenheit mit dem Coaching von anderen Faktoren abhängt als die Zielerreichung oder die Konsequenz der Umsetzung bestimmter Ziele.

Die vielfach veröffentlichten Untersuchungen zu einzelnen gefundenen Wirkfaktoren sind folglich zumindest in ihrer Aussagekraft begrenzt. Dies gilt insbesondere dann, wenn man bedenkt, dass so schnell der Eindruck entsteht, dass viele ähnliche Faktoren eine Rolle spielen könnten, die jedoch in einer gemeinsamen Untersuchung schnell auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgeführt werden könnten (so werden z.B. Soziale Nähe, Vertrauen, Empathie, positive Interaktionen und Sympathie von der Arbeitsbeziehung erklärt). Man sollte also mehrere interessante und zusammenhängende wie auch fremde Konstrukte gemeinsam untersuchen, um Wirkfaktorenmodelle zu erhalten. Einzelne Wirkfaktoren erscheinen unrealistisch und wenig aussagekräftig.

Komplexe Wirkfaktorenmodelle – eine spannende Forschungsrichtung

Erste Ergebnisse von Untersuchungen komplexerer Erhebungen (Kinder et al., 2020) legen nahe, dass Coaching wirkt, da verschiedene Kriterien den meisten KlientInnen helfen, das Coaching als erfolgreich zu bewerten. Erfolg wurde dabei anhand der Zielerreichung und der Zufriedenheit mit dem Coaching bewertet, allerdings zusammengesetzt aus unterschiedlichen differenzierenden Einzelfragen. Die Kriterien entstanden aus einer Mehrzahl an Variablen, die im Ergebnis komplexen statistischen Berechnungen mit sog. Strukturgleichungsmodellen entsprungen sind.

Wirkfaktoren zur Vorhersage des Coachingerfolgs (aus KlientInnensicht):

  • Arbeitsbeziehung – Aufgaben (wie gut halfen die Tätigkeiten und Aufgaben dem/ der KlientIn im Coaching)
  • Arbeitsbeziehung – Bindung (Nähe und Bindung in der Arbeitsbeziehung zwischen Coach und KlientIn)
  • Vertrauen (Zutrauen des/ der KlientIn in die Kompetenz, das Wohlwollen und die Integrität des Coaches)
  • Empathie (das Einfühlungsvermögen des Coaches)
  • Affektkalibrierung (das Einbeziehen der Gefühlsebene des/ der KlientIn im Coaching)
  • Ressourcenaktivierung und Umsetzung (Orientierung auf Stärken, Kompetenzen, Ressourcen und Erfahrungen und deren Nutzen für die Umsetzung der Ziele)

Jede Variable für sich hat Einfluss auf den Coachingerfolg, der Logik folgend „je höher, desto besser“. Je stärker also ein Coach statistisch gesehen diese Punkte mit einbezieht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Coaching für den/die KlientIn auch erfolgreich wird.

Wie wir sehen, sind zwei Ebenen bedeutsam, damit Coaching wirkt:

Der Coach sollte einerseits die Beziehungsebene adressieren und individuell auf Sie eingehen. Nur so kann eine vertrauensvolle Beziehung entstehen und Ihr Coach versteht, was in Ihnen vorgeht.

Andererseits sollte der Coach ein strukturierendes Element sein und für Sie durch eine gute Auswahl an Aufgaben, die zu Ihnen passen, dafür sorgen, dass Sie an den richtigen Stellschrauben arbeiten, reflektieren und letztlich für sich weiterkommen. Die Struktur findet sich ebenso in der Reflexion und dem Sammeln passender Ressourcen wieder, die Sie benötigen oder die Ihnen dabei helfen können, Ihre Ziele zu erreichen.

Virtuelles Coaching beansprucht eine immer wichtigere Rolle im Rahmen zeitgemäßer Qualifizierungskonzepte. Wieso ist Coaching im Lernen von morgen so bedeutsam? Wirkt Coaching über das Telefon oder das Internet überhaupt und wenn ja, wodurch?

Das Lernen der Zukunft – verschiedene Formate und Methoden

Die Anforderungen an moderne und innovative Lernkonzepte sind enorm. Unterschiedlichste Kompetenzen wollen auf abwechslungsreiche und effiziente Weise entwickelt werden. Bestenfalls sollen die Lernformate dabei effektiv, nachhaltig und up-to-date sein. Neben dem reinen Wissensaufbau stehen heute und morgen vor allem die Arbeit am Mindset bzw. der Haltung und das nachhaltige Anwenden im Fokus. Kompetenzen im Feld der Haltung bzw. Einstellung sind ohnehin eher schwer zu entwickeln, geht das doch unserem bekannten „inneren Elefanten“ gehörig gegen den Strich.

Jedes Lernformat zielt auf einen anderen Schwerpunkt ab. E-Learning adressiert so vor allem den Aufbau von Wissenskompetenzen. Klassische Präsenz-Workshops oder Trainings fokussieren sich eher auf die Anwendung. Community Learning soll stärker dafür sorgen, dass Wissen in der Gruppe geteilt wird und ein Erfahrungsaustausch sowie kollegiale Supervision stattfinden. Es leistet einen wesentlichen Beitrag zur Transfersicherung und zu der Integration des Erlernten in den Alltag.

Sinn und Wirksamkeit von e-Coaching

Und welche Bedeutung hat das (virtuelle) Coaching? Es ist das ideale Format, um das Wollen eines Lerners zu aktivieren. Es geht dabei allerdings um mehr als nur Motivation. Coaching kann die Persönlichkeit entwickeln, Selbstreflexion anregen oder zu einer Überprüfung von Haltung und Einstellung animieren. Und es eignet sich hervorragend als unterstützende Lernbegleitung.

Im Rahmen des Lernens der Zukunft findet Coaching meist virtuell, d.h. via Telefon oder Videokonferenz statt. So können auch über Distanzen kompakte Coachingsitzungen in einer zeitlichen Abfolge platziert werden. An- und Abreisen entfallen. Das virtuelle Coaching ist damit zeit- und kostenökonomisch. So ist auch eine längerfristige Begleitung eines Lerners gut gestaltbar.

Doch ist virtuelles Coaching überhaupt wirksam? Dass Coaching an sich Wirkung entfaltet, wissen wir bereits seit geraumer Zeit (Grover & Furnham, 2016). Und auch virtuelles oder telefonisches Coaching wirkt. Aktuellen Untersuchungen zufolge ergeben sich keine signifikanten Abweichungen verglichen zu Live-Coachings (Jones, Woods & Guillaume, 2015).

Kein Wunder also, dass dieses Qualifizierungsformat einem zunehmenden Hype unterliegt.

Einsatzfelder und Wirkmechanismen des Online Coachings 

Wann kann virtuelles Coaching zum Einsatz kommen?

Es ist immer dann das Format der Wahl, wenn die Begleitung längerfristig angelegter und individuell gestaltbarer Qualifizierungsprogramme im Raum steht. In diesem Fall agiert der Coach sozusagen als Bindeglied zwischen dem Lerner und seinem Lernfortschritt, wie auch dieser Case zeigt.
Oder dann, wenn Lerner und Coach räumlich weit voneinander getrennt sind und regelmäßige Live-Sitzungen nicht abbildbar sind.

Grundsätzlich kann Coaching, auch im virtuellen Format, diese Themenfelder „bespielen“:

  • Prozessbegleitung und Prozessreflexion
  • Ziel-Definition und Ziel-Prozess-Evaluation
  • Selbstreflexion und inhaltliche Reflexion
  • Überprüfung von Kompetenzen und Lernzielen
  • Erarbeitung von Lernerfolgen und Entwicklungsfeldern
  • Einführung, Durchführung und Begleitung von Übungen
  • Persönlichkeitsentwicklung
  • Mindset Change, Arbeit an der Haltung und am Wollen

Das virtuelle Coaching wirkt dabei ähnlich wie als Präsenzformat. Über die Arbeitsbeziehung, Empathie, Wertschätzung und das zunehmende Vertrauen lassen sich Lernende in der Regel auf die Inhalte ein und Entwicklungsschritte werden erlebbar. Das Strukturieren des Prozesses, Rückfragen und Nachbesprechen von Übungen, Zielen oder eigenen Themen führt zu Reflexion und einer tieferen Verarbeitung. Die Ressourcen der Lernenden werden dabei für gewöhnlich gestärkt. Zusätzlich lassen sich positive Auswirkungen auf eine Vielzahl psychologischer Faktoren wie die Selbstwirksamkeit nachweisen.

Beim virtuellen Coaching hat es sich dabei als besonders förderlich erwiesen, wenn sich Coach und Coachèe zu Beginn persönlich begegnen. Dies ist zwar nicht zwingend für den Erfolg des Coachings erforderlich, jedoch sicher eine hervorragende Unterstützung.

Von essentieller Bedeutung allerdings ist, dass der Coach in der virtuellen Arbeit erfahren bzw. geeignet qualifiziert ist. Coaching wirksam via Maschine umzusetzen ist eine eigene Kunst, die geübt sein will. Sind doch zwei Kommunikationsebenen stark eingeschränkt, die der Körpersprache und die der Stimmung bzw. Atmosphäre. D.h. der sprachlichen Gestaltung des Prozesses kommt eine noch höhere Bedeutung zu, wie dies im Coaching ohnehin der Fall ist.

Coaching virtuell – das Herzstück des Lernens der Zukunft

Die Bedeutung von Coaching im Rahmen des Lernens der Zukunft wird sicher noch weiter zunehmen, da es Lernende auf zwei unterschiedliche Arten unterstützt:

  • Kontinuierliche Begleitung des individuellen Lernprozesses: In regelmäßigen „Coach-Calls“ können Lernende Fragen klären, ihren individuellen Entwicklungsprozess strukturieren oder Kompetenzaufbau überprüfen. In einem digitalisierten Programm übernimmt Coaching also das, was digitalisierte Tests, künstliche Intelligenz oder E-Learning noch nicht können.
  • Persönliche Begleitung des Menschen: In einem optimal gestalteten und effizienten Qualifizierungsprogramm sucht der Mensch dennoch in der Regel das Angebot von Beziehung und persönlichem Kontakt. Reflexion und Wertschätzung werden durch die Maschine kaum erlebbar. In einer Mensch zu Mensch-Verbindung kann dieser soziale Teil der Entwicklungsarbeit stattfinden.

Virtuelles Coaching vereint also Ökonomie und Effizienz mit der menschlichen Komponente im Lernen der Zukunft. Haltungen, Einstellungen und Mindset können dadurch erfolgreich adressiert und entwickelt werden.

Auch lesenswert in diesem Zusammenhang könnte unser Blog Coaching – ein kraftvolles Instrument individueller Veränderung sein.

Dieser Blog wurde von Nicklas Kinder verfasst, der momentan seine Dissertation zum Thema „Coaching“ an der Universität Salzburg verfasst.