02.2022
Wir befinden uns bereits mitten in der Zeit des neuen Arbeitens (New Work). Problematisch bei New Work ist meistens, dass der Fokus auf strukturelle Maßnahmen gelegt wird. Zum Beispiel werden schnell mal Arbeitszeiten gekürzt und Hierarchieebenen entfernt. Nicht zu selten hat das jedoch nicht den erwünschten Effekt und führt anstelle von Motivation und Leistungssteigerung zu Identitätsproblemen, Politisierung und Komplexitätsproblemen.
Was fehlt hier? Die Sicht nach Innen.
Erstaunlicherweise ist unsere Forschung unserer Wirtschaft hier einiges voraus. Bereits 1949 experimentierte Harry Harlow mit Laboraffen zu diesem Thema. Im Experiment sollten die Affen eine motorische Aufgabe lösen (siehe Abbildung).
Damals (sowie z. T. auch noch heute) galt der Gedanke: Was uns antreibt sind entweder (1) unsere biologischen Triebe oder (2) Zuckerbrot und Peitsche. Also Belohnungen bzw. Bestrafung. Interessant wurde es nun, als die Affen bereits vor Start des Experiments Interesse an der Aufgabe zeigten. Und nicht nur Interesse… sie lösten die Aufgabe ohne jegliche Anreize.
Dadurch entstand eine neue Theorie: Es gibt einen dritten Antrieb. Ein Antrieb von innen heraus. Ausgelöst durch die Durchführung und Erprobung der Sache selbst. Später erfolgte die Erkenntnis, dass auch die Menschen über diesen Antrieb, intrinsische Motivation genannt, verfügen: der Mensch möchte seine Fähigkeiten von sich aus erweitern.
Großartig. Ist es möglich diese intrinsische Motivation in unseren Mitarbeitenden zu aktivieren? Eine Möglichkeit dazu stellt das Psychologische Empowerment dar. D. h. Empowerment braucht eine psychologische Komponente.
Intrinsisch motivieren durch Psychologisches Empowerment
Der Begriff „Empowerment“, bezogen auf die Ermächtigung der Mitarbeitenden – meist im Zuge einer Demokratisierung im Unternehmen – wird leider des Öfteren mal schnell als Buzzword abgeschoben. Problematisch war in der Umsetzung bisher meistens, dass im Rahmen von Empowerment lediglich die strukturelle Komponente (z.B. die Entfernung von Hierarchieebenen) betrachtet wurde.
Von Gretchen Spreitzer und umfangreicher auf ihren Erkenntnissen aufbauender Forschungsarbeit haben wir in den letzten Jahren jedoch gelernt: Menschen interpretieren ihre Umgebung individuell. D.h. das Entfernen einer Hierarchieebene wirkt bei der einen Person befreiend, während andere dadurch einen wichtigen Orientierungspunkt verlieren. Eine erweiterte Betrachtung, die Interpretation auf psychologischer Ebene ist hier essenziell, um die Ermächtigung der Mitarbeitenden zu ermöglichen. Dazu gibt es vier arbeitsbezogene Wahrnehmungen, welche unsere Rolle und damit die Gestaltung unserer Möglichkeiten des psychologischen Empowerments prägen:
Menschen, die sich psychologisch empowert fühlen, erleben ihre Tätigkeit als sinnvoll (Bedeutsamkeit). Sie trauen sich ihre Arbeitsaufgaben zu (Kompetenz). Sie nehmen Autonomie wahr (Selbstbestimmung) und sind überzeugt, dass ihre Arbeit etwas bewirken kann (Einfluss).
Dabei beruht die Wahrnehmung des psychologischen Empowerments auf einer hohen Ausprägung jeder einzelnen Facette. Wenn eine Facette gering ist, verliert das Konstrukt an Stabilität.
Warum wir uns mit dem Psychologischen Empowerment mehr beschäftigen sollten
Das Konzept des Psychologischen Empowerment wurde mittlerweile schon durch zahlreiche Studien und Forschungsarbeiten untersucht. Spannend ist vor allem, dass sich zahlreiche Korrelationen mit Vorteilen für Mitarbeitende aber auch für die gesummte Organisation finden.
Auf der Seite der Mitarbeitenden:
- Erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit
- mehr Flow Erleben (der Zustand, in dem wir völlig in unserer Arbeit aufgehen)
- weniger Stress
- geringere Neigung zu Depressionen
Auf der Seite der Organisation:
- Steigerung des Organizational Citizenship Behavior (OCB), das freiwillige Arbeitsengagement
- Erhöhtes extraproduktivem Verhalten (Verhalten, über das vertraglich geregelte hinaus z.B. Hilfsbereitschaft)
- Förderung von Innovation
- Stärkere affektive Bindung an das unternehmen
- Geringere Fluktuationsverhalten
Für die meisten Unternehmen steht heutzutage vor allem die allgemein erhöhte Leistungssteigerung im Vordergrund. Das lässt sich mitunter dadurch erklären, dass das durch Selbstbestimmung und Einflussnahme gewonnen Vertrauen, durch gewissenhaftes und unkompliziertes Verhalten zurückgezahlt.
Die psychologische Komponente des Empowerment richtig nutzen
Vor allem in unserer heutigen Zeit ist es wichtig zu verstehen, dass eine Steuerung von außen in vielen Bereichen weder zu bewältigen noch anzustreben ist. Psychologisches Empowerment setzt auf die Sicht nach Innen. Es gibt uns damit eine Chance durch die Aktivierung der intrinsischen Motivation unsere Mitarbeitenden nachhaltig zu inspirieren.
Im Zuge der Umgestaltung der eigenen Arbeit ist es daher durchaus zu überlegen sich Psychologisches Empowerment als Zielmarke zu setzten. Wer psychologisches Empowerment für sich nutzen möchte muss bedenken, dass es hierfür kein allgemeingültiges Spezialrezept gibt. Wie eingangs erläutert, basiert das Konzept auf der individuellen Wahrnehmung der einzelnen Mitarbeitenden. Daher gilt es zunächst einmal den Standpunkt und die Bedürfnisse der eigenen Mitarbeitenden zu erkennen und zu verstehen.
Das gleiche gilt übrigens auch für die Führungskraft. Starten Sie doch ganz einfach mit einem kleinen persönlichen Experiment. Stellen Sie sich täglich nach der Arbeit diese zwei Fragen und nehmen Sie sich 5 Minuten zur Reflexion.
- Welche Arbeitssituation hat Sie empowert fühlen lassen?
- In welchen Situationen haben Sie weniger Empowerment erlebt?
Wenn einmal klar wird, woran es mangelt, gibt es verschiedenste Maßnahmen der Personalentwicklung, welche die wahrgenommene psychologische Ermächtigung über die einzelne Facetten stärken können, wie z.B.:
Und es ist klar – Empowerment braucht eine psychologische Komponente.
Wir sind gespannt über Ihre Erfahrungen zu hören. Mehr zu diesem Thema finden Sie auch in unserem Learning Nugget New Work in a nutshell.
Dieses Blog wurde verfasst von Leoni Meffle.